Als am Neumarkt die Schornsteine rauchten

Sonderausstellung von 31. März bis 20. August 2023 - Vor 160 Jahren gründete Carl Teichert die erste Meißner Ofenfabrik

Rudolf Kanka NeumarktRudolf Kanka Neumarkt

In der neuen Sonderschau des Meißner Stadtmuseums dreht sich von 31. März bis 20. August 2023 alles um die Gründung der ersten Ofenfabrik von 160 Jahren. Die 1863 von Carl Teichert gegründete Fabrik ging direkt auf das traditionelle Töpferhandwerk zurück. Die Töpferei in Meißen konnte 1992/93 durch eine archäologische Grabung am Neumarkt bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden.

Neben Gefäßen stellten die Meißner Töpfer bereits im Mittelalter Ofenkacheln her. Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiße Öfen in Mode kamen, standen die Töpfer vor einer technologischen Herausforderung. Eine weiße Oberfläche von hoher Reinheit musste her! Hilfe bekamen sie aus unerwarteter Richtung: Dem Bossierer an der Porzellanmanufaktur Gottfried Heinrich Melzer (1820-1867), der am heutigen Hahnemannsplatz in der Nachbarschaft der Töpfer wohnte, gelang die Lösung des Problems: Er entwickelte eine haarrissfreie, weiße Kachel aus einheimischen Rohstoffen, die er 1855 als „Meißner Patentkachel“ anmeldete.

Weil ihm die Gründung einer eigenen Ofenfabrik nicht gelang, schloss er sich 1857 mit dem Töpfermeister Carl Teichert (1830-1871) zusammen: Teichert formte und brannte die Kacheln in seiner Werkstatt am Hahnemannsplatz, Melzer lieferte nach seinem Rezept die fertige Glasur.

Bereits im Sommer 1863 kaufte Carl Teichert das Grundstück Neumarkt 5 – dort entstand die erste Ofenfabrik Meißens. Doch das Schicksal machte dem jungen Unternehmer einen Strich durch die Rechnung. Als er im Deutsch-Französischen Krieg sächsische Bundestruppen bei Paris besuchte, verunglückte er 1871 in Mitry tödlich.

Inzwischen hatten sich weitere Töpfer zur Errichtung von Ofenfabriken entschlossen; unter ihnen Carl Teicherts Bruder und bisheriger Betriebsleiter Ernst Teichert 1868 in Cölln. Um 1900 arbeiteten im heutigen Stadtgebiet von Meißen acht Ofenfabriken unterschiedlicher Größe. In dieser Zeit entstanden grobkeramische Fabriken und Zulieferer für Glasuren, Brennöfen und keramische Maschinen etablierten sich. In Meißen war die Ofenindustrie Schrittmacher der Industrialisierung.

Auch das Erbe Carl Teicherts lebte fort. Die Produktpalette der Meißner Ofen- und Porzellanfabrik vorm C. Teichert AG wurde nach und nach erweitert: Die Produktion von Porzellan mit dem Schwerpunkt Zwiebelmusterdekor begann 1879, die Produktion von Steingut-Wandfliesen 1891.

Baukeramik als plastischer Schmuck für Gebäude und Gärten aber auch Kleinplastik und kunsthandwerklich gestaltete Gebrauchsgegenständen für den Wohnbereich hielten ab etwa 1900 Einzug in die Produktionslinie. Alle diese Artikel, besonders aber die Öfen, waren nicht nur für den Binnenmarkt bestimmt, sondern wurden auch in alle Welt exportiert.

Die Sonderausstellung zeigt die Entwicklung der handwerklichen Töpferei zur Ofenindustrie und deren Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert anhand eigener Exponate, aus dem Museum für Kunsthandwerk Pillnitz (SKD) und von privaten Leihgebern.