ArchitekTour

25 Baudenkmäler - Ein architektonischer Stadtbummel durch die Wiege Sachsens

Wir laden Sie herzlich ein zu einem architektonischen Stadtbummel durch die Wiege Sachsens.

Mittels häuserspezifischer QR Codes bieten sich faszinierende Einblicke in den Wiederaufbau Meißens als kulturhistorisches Kleinod - denn Meißen ist reich an wertvollen Zeugnissen deutscher Baukultur. Erfahren Sie dabei mehr über die Geschichte ausgewählter, kulturhistorisch besonders bedeutsamer Altstadthäuser, die durch das denkmalpflegerische Engagement von Bund & Land, aber auch privater Bauherren und Vereine in den letzten Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden konnten - oder noch immer darauf warten.

Elbstraße 7

Autor: Antje Hainz - Architekturbüro Hainz & Hainz Meißen

Der "Zollhof" ist ein an der Gestalt und Raumqualität gemessenes, reiches Bürgerhaus aus dem frühen 17. Jh. (Renaissance). Saniert 1995/1996.
1890 als Hauptsteueramt, 1939 als Bankinstitut und in den 80er Jahren als Kunsthandlung genutzt, blieb das Haus über Jahrzehnte hinweg in einem gepflegten Zustand. Im Zuge der Sanierung wurden baugeschichtlich wertvolle Details aus Barock und Renaissance wie die historische Haushalle mit toskanischer Säule, Stuckdecken und Einbaumöbel freigestellt.

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Vorgängerbau:
Ein fester Hof, zum Schutz der südlichen Ausfallstraße vom damals vorhandenen Handelsplatz, dem Jahrmarkt, angelegt, wurde bereits vor 1150 hier errichtet.
Hofseitig ist als ältester Teil ein turmartiger Bau im Keller und den Bereichen des Erdgeschosses erhalten. Der Raum ist heute als Durchgang zum Hof und - hinter einer verglasten Wand - als Teil eines Ladenraumes erlebbar. Bis zum Ende des 19. Jh. gab es hier ein Tonnengewölbe; im Keller ist noch ein Gussgewölbe mit spitz ausgebildetem Scheitel erhalten. Bauuntersuchungen, die im Zuge der Sanierung nach 1990 angestellt wurden, ergaben die baugeschichtlich wichtige Erkenntnis, dass der heutige Baukörper des "Turmes" erst um 1500 errichtet wurde.

Noch heute prägend für das Straßenbild ist der Bau, der in Formen der späten Renaissance entstand und die östlichen sechs Fensterachsen umfasst. Kreuzgewölbe über einer toskanischen Säule überdecken die Haushalle des Erdgeschosses. Der Raum wurde während der Sanierungsphase um 1996 von späteren Einbauten befreit und in ursprünglicher Form wieder erlebbar gemacht. Einen großzügigen Gewölbebogen sehen wir an der Nordseite der Halle - darüber lag der Austritt der ursprünglichen Treppe, die das Obergeschoss erschloss. Westlich davon betrat man die gewendelte Treppe direkt von der Haushalle aus, wie ein Plan von 1893 im Meißner Stadtarchiv zeigt. Ebenso verrät er, dass sich an der Straßenseite gegenüber ein breites Tor befand - was die unregelmäßige Ausbildung des Deckengewölbes hinter der heutigen Fensterfront erklärt. Bei den Sanierungen der 90ger Jahre wurde ein Teil der ursprünglich prächtigen Portalbekrönung in Dreiecksform (Tympanon) in der Fassade unter dem Putz wiederentdeckt.

Zurück zur Haushalle: Ein Rundbogengewände mit Renaissanceprofilierung ergänzt das Bild des Raumes - weitere befinden sich (heute verdeckt) in der Ostwand. Hier schlossen sich ursprünglich ebenfalls gewölbte Räume an: straßenseitig ein Kreuzgratgewölbe, hofseitig ein Tonnengewölbe. Diese Konstellation lässt ihre Funktionen als beheizbares Kontor und dahinterliegende Küche/Heizraum erkennen. Beim Umbau 1939 wurden diese Gewölbe abgebrochen, mit Hilfe der Bauforschung und Archivrecherche wird jedoch die Gestalt und Raumqualität eines reichen Bürgerhauses wieder nachvollziehbar.

In beiden Obergeschossen sind ebenfalls die Strukturen der Renaissance in diesem Hausteil zu finden: Raumteilungen mit straßenseitigen Stuben und Kammern und rückseitigen "dienenden" Räumen sowie aufwändigen Ausstattungen mit profilierten Steingewänden und plastisch gestalteten Konsolsteinen setzen die in Fassade und Erdgeschossräumen sichtbare Stilistik fort.

Die Fassade zeigt in den Obergeschossen profilierte Gewände, die formal dem beginnenden 17. Jahrhundert zugeordnet werden [Gurlitt, S.196]. Zwei Steinmetzzeichen konnten daran gefunden werden, die heute schwarz unterlegt - wohl etwas auffälliger als ursprünglich, gezeigt werden - doch wegen ihrer geringen Größe trotzdem nicht leicht auffindbar sind.

Ein kleiner Bogen am Ostende der Fassade unter dem Traufsims ist baueinheitlich mit der Fassade und der unter dem Bogen befindlichen Wand errichtet worden (Bauuntersuchung bei Sanierung in den 90ger Jahren). Zu vermuten ist hier eine bereits in der Renaissance überbaute Traufgasse. Diese Traufgassen wurden häufig zwischen giebelständigen Häusern angelegt, die wohl auch hier vor dem Renaissancebau bestanden haben.

Der westliche Teil des Vorderhauses wurde im 18. Jahrhundert grundlegend überformt; vermutet wird jedoch auch hier ein wesentlich älterer Kernbau (bei Bauuntersuchungen während der Sanierung der 90ger Jahre konnte eine drei geschosshohe Bruchsteinwand an der Stelle des heutigen Fassadenknickes als ältester Bauteil festgestellt werden. Die einheitliche Dachkonstruktion des Mansarddaches - gebildet aus kräftig bemessenen Hölzern und in traditioneller Zimmermannsart mit Überblattungen und Holznägeln sorgfältig abgebunden - vereint beide Teile des Vorderhauses und wird dem 18. Jahrhundert zugeordnet.

Das Vorderhaus - in der Struktur drei Trakte breit (10 Fensterachsen), zwei Zonen tief - reiht sich in die großen Bürgerhausbauten der Stadt ein. Die funktionell und gestalterisch geschlossenen, anspruchsvoll ausgeführten Baumaßnahmen im östlichen Vorderhaus lassen auf einen wohlhabenden Bauherrn schließen.
Barocke Zutaten sind in der Innenausstattung erhalten, so in den fein profilierten Stuckdecken der Stuben in den beiden Obergeschossen. Die behutsame Sanierung der 90ger Jahre konnte diese Werte berücksichtigen.

Weitere Umbauten erfolgten um 1890 mit der Umnutzung als Hauptsteueramt - dem entsprechend wurde der Schriftzug mit bekröntem sächsischen Wappen an der Hauptfassade nach historischen Fotos 1998 rekonstruiert. 1939 erfolgte wiederum ein durchgreifender Umbau - im Zusammenhang mit dem Verkauf an die Stadtsparkasse Meißen. Die Maßnahmen wie Treppeneinbau und Dachausbau erfolgten in für die Zeit typischen Formen und sind qualitativ anspruchsvoll ausgeführt worden, so dass sie auch für die jüngste Sanierung beibehalten werden konnten.

Die hohe Bruchsteinmauer mit großer Toröffnung schließt Hofraum und Grundstück nach Norden ab. Sie ist von Bedeutung für die historische Stadtstruktur, denn hier endete das sogenannte "heilige Viertel" - der nördlich anschließende Bereich des Lorenzspitals. Obwohl ihr Alter bisher nicht genau bestimmt ist, deuten die Blendarkaden hofseitig auf das 16. Jahrhundert. Auf älteren Darstellungen wie der Stadtansicht von 1602 ist eine Mauer ebenfalls angedeutet.

Sonstige geschichtliche Besonderheiten:
Von den Kriegsschäden des 30-jährigen Krieges, bei denen besonders der Einfall der Schweden am 6. und 7. Juni 1637 mit großen Verwüstungen in der Stadt einherging, war das Haus weniger als andere betroffen, abgebrannt war das Hinterhaus; "…bewohnet der Besitzer das Vordergebäude.." Der Wertverlust wird mit 50 Prozent angegeben, Eigentümer ist zu dieser Zeit Johann Christoph Otto. "Hans Caspar von Schönberg, Cammer- und Bergrath" wird als Besitzer vor 1719 benannt.
Die stattliche Anzahl von fünf Bieren besaß das Haus noch im 18. Jahrhundert und hatte auch eine eigene Anbindung an die Röhrfahrt. Der "...hohe königliche Fiskus…"  ist 1833 als Eigentümer verzeichnet.

Entwicklung bis zur Wende:
In den 80ger Jahren befand sich im Erdgeschoss das Ludwig-Richter-Haus, eine Kunstgalerie und -handlung, die vorwiegend Werke regionaler Künstler und Kunsthandwerker zeigte und verkaufte. In den Obergeschossen waren Büroräume der FDJ, der Jugendorganisation der DDR, untergebracht. Auf Grund der kontinuierlichen Nutzung - vorwiegend durch Bankinstitute und staatliche Einrichtungen - blieb das Haus bis zur Wende in einem relativ gepflegten Zustand, wenn auch die Haustechnik veraltet war und Renovierungen schlicht und ohne Rücksicht auf kulturhistorische Werte und bauhistorische Besonderheiten blieben. Das Turminnere - als Garage genutzt - und der Innenhof - als Park, Kohlelager und Mülltonnenplatz genutzt - verdeutlichten Abnutzung und geringe Wertschätzung der Substanz.

Entwicklung nach der Wende:
Nach Privatisierung des Grundstückes erfolgte eine Modernisierung in den Jahren 1995/1996, deren großer Verdienst nicht allein die Anpassung an zeitgemäße funktionelle Ansprüche ist. Es entstand ein schönes Beispiel der Neuerschließung innerstädtischer Raumqualitäten unter Wahrung und Aufwertung der historisch wertvollen Substanz.

Öffentlich erlebbar ist so die historische Haushalle geworden, der Durchgang durch den ältesten Raum - den Turm - dem sich der gestaltete Hof anschließt.
Neue Seitengebäude, die sich formal dem Vorderhaus nachordnen, ein Naturstein, Pflasterbelag und die historische Hofmauer rahmen den von Lothar Sell geschaffenen "Pfennigbrunnen".

Die Wohn- und Büroräume:
Auch die historischen Räume in den Obergeschossen wurden von oft störenden Einbauten befreit, die baugeschichtlich wertvollen und zugleich schönen Ausstattungen wie Blendbogenarchitektur mit Konsolen, Stuckdecken, historische Türen und Einbaumöbel wurden freigestellt und erhalten/aufgearbeitet. Manches zu vermutende Detail (z.B. Wandfassungen und Holzbalkendecken des Renaissancebaues) bleiben im Verborgenen und wurden auf Grund darüberliegender erhaltenswerter Gestaltungsschichten nicht angerührt. Funktionell notwendige neue Einbauten wurden behutsam und kaum störend in die historischen Strukturen eingeordnet (z.B. eine transparente Holz- Glas- Wand unter der Stuckdecke des 2. Obergeschosses - als neue Zonierung zwischen Flur und Wohnraum). Der Turmbau im Hof erhielt anstelle seines sehr schadhaften Daches ein neues Geschoss mit begrünter Dachterrasse.