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Geschichtliches, denkmalpflegerische Werte & Besonderheiten:
Ein Vorgängerbau ist in dem Grundstück nicht erhalten; Schriftquellen nennen zwei Vikarienhäuser der Domkirche - also Wohnhäuser für Geistliche, die einen Altar betreuten. Das Haus "... an den steinernen Treppen wo man aus der Burggasse nach der St. Afrakirche geht oben an der Ecke rechter Hand wurde 1509 ... von Grund aus neu erbaut ..." (Rüling S.172).
Die städtische Bebauung am steilen Südhang des Burgberges war bereits bis an die Ostgrenze dieses Hauses gewachsen, was die ursprüngliche Gestaltung des Ostgiebels beweist. Nach Westen, zur Afrakirche zu, stand es jedoch frei, so dass der Backsteingiebel gut zur Wirkung gelangte. Ziergiebel aus Backstein waren im Stadtbild dieser Zeit keine Ausnahme; hier sehen wir einen besonders filigranen, in spätgotischen Formen geschmückten, der zudem eine nicht erhaltene, mehrfarbige Gestaltung in den ursprünglichen Putzflächen trug.
Die Formen der Spätgotik prägen auch die traufseitigen Fassaden, so an den Gewänden der Haustür (mit später überformtem Bogen), der Fenster und des doppelt gekehlten Traufsimses aus Ziegelsteinen. Das Erscheinungsbild des Baues ist eher als "geschlossen" wahrzunehmen, was durch die Putzarchitektur unterstrichen wird, die mit Eckquaderung, Putzbändern und rauem Kellenputz nach originalen Befunden wiederhergestellt werden konnte (im Vergleich dazu wirkt der bereits 30 Jahre früher entstandene Bau der Albrechtsburg offen und licht - für unser Auge wesentlich "moderner").
Im Inneren des Hauses in großem Umfang die bauzeitlichen Raumstrukturen erhalten: die beiden Bohlenstuben in den Obergeschossen, eine Schwarzküche und Teile einer Räucherkammer, der Wendelstein, ein gewölbter Archivraum im Erdgeschoss, originale, z.T. eisenbeschlagene Türen und das Dach mit seiner mächtigen Hängesäulenkonstruktion. Besonders die hölzerne Ausstattung - also profilierte Holzbalkendecken und Stabbohlenwände, die teilweise bemalt sind - finden wir hier in beeindruckender Vollständigkeit. Sie prägt neben den heizbaren Stuben das Raumerlebnis und so lassen uns all diese Bauteile und Räumlichkeiten das behagliche und zugleich großzügige Wohnmillieu der Bauzeit nachvollziehen.
Ein besonderer Schatz, der die Gesamtheit der originalen Strukuren erst komplettiert und in seiner kunsthistorischen Bedeutung weit über ihnen steht, sind die Malereien an den Wänden. Illusionistische Architekturen, figürliche und ornamentale Malereien überziehen die steinernen Wände in allen Aufenthaltsräumen der Obergeschosse. Ihre herausragende künstlerische Qualität lässt einen Tafelmaler der Renaissance als Schöpfer vermuten, sie ist einzigartig in Sachsen und unter Fachleuten weit über die Ländergrenzen hinaus bekannt (vermutlich Meister des Großhartmannsdorfer Altars - Preuß 1993). In den beiden Bohlenstuben konnten diese Malereien in den vergangenen Jahren freigelegt und sorgfältig restauriert werden.
Nicht nur Nikolaus Heynemann ließ sein Haus prächtig ausstatten, auch folgende Eigentümer und Bewohner legten viele anspruchsvolle Gestaltungen - jeweils im Stil ihrer Epoche - über die bauzeitlichen.
Die Restaurierungen unserer Zeit nehmen darauf Rücksicht und so entdecken wir mehrere Renaissancefassungen, barocke Malereien, bis hin zu historistischen Fassungen des 19. und frühen 20 Jahrhundert, die in restaurierten Bereichen sichtbar werden.
Nördlich des Haupthauses schließt ein Fachwerkbau von 1572 an. Es ist eines der wenigen erhaltenen Fachwerkhäuser der Altstadt Meißens und kann sich nach seiner Rettung und Instandsetzung um 2008 heute wieder sehen lassen. Der Blick von der Schloßbrücke zeigt den besonders gestalteten Nordgiebel mit Rundbogenfenstern.
Der Fachwerkbau des Seitengebäudes beherbergt im unteren Geschoss einen kleinen gewölbten Raum, der nach Norden an den Felshang grenzt, nach Osten jedoch frei steht und den wir heute "Brunnenstube" nennen. Von dort aus war der Hausbrunnen im tiefer gelegenen Hof erreichbar und man konnte so Wasser direkt ins Obergeschoss - z.B. für die nahe gelegene Schwarzküche heraufholen.
Die Entdeckung der Brunnenstube und die Freilegung des Brunnenschachtes waren erst nach Abbruch der dichten Hofbebauung am Anfang der 90iger Jahre möglich. Die archäologischen Untersuchungen während dieser Freilegungen erbrachten Keramikgefäße, Porzellangeschirr, Porzellanpfeifen u.v.m. an bürgerlichem Hausrat, wie wir ihn sonst nur auf Bildern aus der Zeit Ludwig Richters kennen, denn der Brunnen war vor mehr als 150 Jahren bereits verfüllt und verschlossen worden.
Ein besonderer Fund beim Bau ist der Klosterformatziegel mit einem eingebrannten Schriftzug, der auf das Baujahr 1509 verweist. Gekennzeichnete Steine mit Sonnenreliefs oder eingedrückten Tierpfoten sind vielfach bekannt, dieser Stein stellt jedoch eine große Seltenheit dar.
Sonstige geschichtliche Besonderheiten:
Die ältesten historischen Darstellungen der Stadt (Hiob Magdeburg 1558, Stadtansicht 1601) zeigen den Bau mit seinen 1973 und nach 1990 wieder erstandenen hohen Fialgiebeln, die eine Besonderheit im Stadtbild darstellen. M. Nicolaus Heynemann hieß der Eigentümer und Erbauer des Hauses, der nicht nur als Vicar, sondern bereits seit 1502 als bischöflicher Offizial (Vertreter des Bischofs als Vorstand in dessen Gerichtsbehörde, dem Offizialat) sowie päpstlicher und kaiserlicher Notar benannt wird. Bis zu seinem Tode 1544 lebte er in diesem Haus. Bereits 1513 wurde es ebenfalls einer Vicarie im Dom zugeordnet ("vicaria divisionis Apostolorum" - Rüling S.172), die der Eigentümer und der Stadtrat "... in seiner Gesammtheit ..." in diesem Jahr gemeinsam stifteten und dotierten.
[ Hinweis: - bereits im 16. Jahrhundert gab es also eine Verbindung zwischen Stadtrat und Haus.]
Für die Meißner Stadtgeschichte bedeutende Personen lebten im Verlauf der Jahrhunderte hier:
Nach 1544 der (bischöfliche (?) Amtmann Hieronymus Ziegler; Ende des 19. Jh. der Photograph Germanus Koczyk, der eines der ältesten Photographenateliers in Meißen betrieb und eigens dafür ein Atelier im Schweizerhausstil auf der jetzt wieder freien Terrasse südlich des Haupthauses baute; Anfang des 20. Jh. Oskar Burkhardt, Porzellanbossierer in der Meißner Manufaktur und bekannter Heimatmaler, dessen Lebenserinnerungen veröffentlicht wurden und der Texte und Bilder dem in die Jahre gekommenen alten Haus widmete.
Entwicklung bis zur Wende:
Schon Anfang des 20. Jahrhundert waren die markanten Backsteingiebel über Dach zurückgebaut. Um 1973 erfolgte die Wiedererrichtung des stadtseitigen Backsteingiebels - auf Anregung und unter Betreuung des IfD (Institut für Denkmalpflege der DDR). Bis in die 80iger Jahre war das Haus noch in Teilen bewohnt. Um 1986 verstärkten sich Verfallserscheinungen; äußerlich sichtbar wurden sie durch die Anbringung eines hölzernen Traufgerüstes, das herabfallende Dachziegel auffing. Derartige Sicherungen gab es viele im Stadtbild und sie vermehrten sich in den 80iger Jahren drastisch - z.B. auch an den Häusern der Schloßstufen. Eine eindrucksvolle Zusammenfassung dazu wurde in dem Plakat "Besuchen sie Meißen solange es noch steht" um 1989 geschaffen.
Eine maßliche Bestandserfassung durch Studenten der TU Dresden erfolgte 1983 (diese Erfassungen waren verstärkt seit den 60-er Jahren in der Stadt - und vielen anderen denkmalreichen Städten der DDR - erarbeitet worden, meist verbunden mit bauhistorischen Forschungen. Diese kontinuierliche und dankenswerte Leistung ist als breit angelegte Dokumentation des historischen Bestandes zu verstehen und wurde als Voraussetzung für Modernisierungsplanungen von Bau- und Projektierungseinrichtungen gern genutzt).
Planungen zur Modernisierung als Wohnhaus blieben in den Anfängen; auch eine geplante Sicherung (1988, VEB Denkmalpflege Dresden) verblieb in Papierform.
Der baukünstlerische Wert des Hauses wurde durch die Erkenntnis über die einzigartigen Wandmalereien gestärkt. Bürger der Stadt fanden zu sich ab Mitte der 80iger Jahre zu Notmaßnahmen zusammen, die mit einfachen Mitteln den fortschreitenden Verfall aufzuhalten versuchten.
Entwicklung nach der Wende:
Nach intensiveren Bemühungen der Denkmalpfleger und der Stadt konnten Dach und Westgiebel 1994/95 instandgesetzt werden. Die Stadt erwarb in Erkenntnis seines hohen baugeschichtlichen und künstlerischen Wertes das Gebäude um die Jahrtausendwende. Ein gemeinnütziger Verein - das Kuratorium "Rettet Meißen Jetzt" organisiert seine öffentliche Zugänglichkeit und schrittweise die behutsame bauliche Instandsetzung sowie Restaurierung seit 2000 mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Meißen, der Städtebauförderung sowie Eigenmitteln, die sich aus zahlreichen und kontinuierlichen Spenden der Freunde des Kuratoriums und des Hauses generieren.
Im Wesentlichen ist die Substanz gerettet - jedoch bleibt für Verein und Stadt noch viel zu tun, um dieses Schatzkästlein gänzlich für die Öffentlichkeit zu erschließen. Eine Sehenswürdigkeit, auf die die Meißner und Sachsen stolz sein können, kann hier noch erweckt werden.